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Markt 4-6 (früher Am Markt)

Das Gebäude in Celle, Markt 4-6 (heute Thalia-Buchhandlung) hat durch An- und Umbauten eine spannende Geschichte zu erzählen. Anfänglich als Fachwerkhaus Am Markt 6 erbaut, wurde das Gebäude im Laufe der Zeit durch wechselnde Inhaber verändert.

Textil- und Bekleidungsgeschäft Cussel: Julius Joel Cussel (1848-1920) hatte 1885 von seinem Vater Isaak Joel Cussel (1816-1885) das florierende Textil- und Bekleidungsgeschäft im Haus Am Markt 6 übernommen. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg musste die Firma aber Konkurs anmelden. Julius und seine Frau Agnes, geb. Weinzweig, starben 1920 bzw. 1926 in Hannover. [1]

Foto aus dem Buch ". . . wo die Juden Häuser bekanntlich sind"

Adressbuch 1913

Adressbuch 1927

Warenhaus Freidberg:
Freidberg war 1890 als Geschäftsführer in das von A. Barsch ein Jahr zuvor gegründete Berliner Warenhaus Am Markt eingetreten. Schon wenige Jahre später konnte er im Februar 1895 das Berliner Warenhaus erwerben und führte es unter diesem Namen weiter. Im 1899 und 1905 ergab sich dann für ihn die Möglichkeit, das Grundstück Am Markt 5 zu kaufen. Hier hatte zuvor der jüdische Kaufmann Isaac Joel Cussel eine Manufakturwarenhandlung betrieben.

Freidberg beabsichtigte, seine Verkaufsfläche zu vergrößern und zu modernisieren. Dafür ließ er das große alte Fachwerkhaus, unmittelbar dem alten Rathaus gegenüber, an der Ecke der Neuen Straße abbrechen und sich vom Architekten Müller in neues Warenhaus im Stil der Neorenaissance errichten. Am Dienstag, dem 7. November 1899, abends um 18 Uhr fand die Eröffnung des Neubaus unter dem Namen N. Freidberg, Berliner Warenhaus - Erstes und größtes Warenhaus am Platze statt. [1]

Das Geschäft nahm schnell einen so großen Aufschwung, dass es bereits ab 1905 erste Überlegungen für eine Erweiterung der Verkaufsfläche gab. Zu diesem Zweck erwarb der Geschäftsinhaber dann 1906 das Nachbargrundstück Am Markt 5. Mit einem vom Geschäftsinhaber ausgeschriebenen . . . Architektenwettbewerb sollte die optimalste Lösung für ein Kaufhaus gefunden werden. Unter 60 Mitbewerbern errangen Otto Haesler . . . den ersten Platz.

Das Handelshaus Freidberg beschäftigte bis zum Zwangsverkauf im Jahre 1936 etwa 60 Angestellte. Es war vor Karstadt das größte Kaufhaus in Celle, litt aber ab 1933 unter den Boykottaufrufen der NSDAP, so dass das Geschäft 1936 aufgegeben wurde.

1899 hatte Neumann Freidberg, der seit 1895 das "Berliner Warenhaus" führte "Am Markt 6" ein neues Warenhaus erbauen lassen (siehe Foto aus dem Jahr 1899). Es war Celles erstes Warenhaus. Schon 1906 konnte das Geschäft sich vergrößern. Auf dem Nachbargrundstück "Am Markt 5" entstand nach den Entwürfen Otto Haeslers ein moderner Wohn- und Geschäftskomplex, in den 1922 noch das Gebäude "Am Markt 4" einbezogen wurde. [1]

"Zu den ersten bekannten antisemitischen Ausschreitungen gegen das Kaufhaus Freidberg kam es im November 1923: eine Reklametafel am Bahnhof wurde mit Hakenkreuzen beschmiert und in einer Arbeitslosenversammlung wenige Tage später verbreitete man neben anderen Gerüchten über das Geschäft, daß die Ornamente über der Eingangstür des Kaufhauses hebräische Buchstaben seien und >Tod den Christen!< bedeuteten. Die Familie Freidberg setzte zur Ermittlung der Urheber der Gerüchte eine Belohnung aus und appellierte an den gesunden Verstand der Celler Bevölkerung. Der Architekt Haesler wies in einer Zeitungsanzeige darauf hin, daß die am Eingang des Kaufhauses vorhandenen Ornamente lediglich aus rein künstlerischem Empfinden zur Belebung der Fläche dort angebracht waren.

Die Geschäfte liefen zunehmend schlecht und im November des Jahres 1936 entschied Ida Freidberg das Unternehmen an den Konkurrenten Flentje & Beck zu verkaufen.  Sie selbst emigrierte in die USA. Celle war somit um ein Kaufhaus ärmer geworden. Unter dem Traditionsnamen Gödecke & Mittelmann führten die Inhaber Flentje das Kaufhaus in der Zöllnerstraße fort. [1]

Letzte Erweiterung durch den Architekten Otto Haesler 
"Trotz der schwierigen Zeitverhältnisse haben wir uns zur Ausführung unseres Erweiterungsbaus entschlossen", schrieb Kaufmann Freidberg 1923. Das Gebäude wurde um ein weiteres Grundstück Am Markt 4 vergrößert. Wiederum erhielt Otto Haesler den Auftrag für den Umbau, mit dem das Gebäude seine heutige Ausdehnung erhielt. Die neue Fassadenfront an der Ostseite des Gebäudes wurde im Stil des Expressionismus ausgeführt. Noch heute bezeichnet der Celler Volksmund diesen Gebäudekomplex Am Markt 4-6 mit dem Namen "Corves Haus", nach dem Geschäftinhaber, der, nachdem das Haus 1937 in städtischen Besitz übergegangen war, in der unteren Etage ein Bekleidungsgeschäft betrieb. [1]

Der Weiterverkauf des Hauses an die Stadt Celle, die wegen der beabsichtigten und benötigten Erweiterung der Verwaltungsräume daran interessiert war, erfolgte im Juli 1937. Das Gebäude Neue Straße 2 erwarb die Stadt Celle im September 1937 direkt von der früheren Eigentümerin Ida Freidberg. Es wurde abgerissen. Heute befindet sich hier die Borcherspassage - ein Durchgang zur Schuhstraße. [1]

[1] Quelle: celle-im-nationalsozialismus.de und Sabine Maehnert, Jüdische Spuren im Celler Stadtbild, Integration und Ausgrenzung am Beispiel von Geschäften jüdischer Mitbürger in der Celler Innenstadt vor 1933/38, Celle o.J.